Dieser Artikel erschien im Frühjahr 2016 in der Fachzeitschrift „Hebammen forum“, dem Fachmagazin des Deutschen Hebammenverbands. Autorin ist Verena Wiechers, Leiterin der AKADEMIE FÜR PRÄ- & POSTNATALES TRAINING und Entwicklerin des MamaWORKOUT-Konzepts. |
Postnatales Training – Welche Sportarten und Trainingsmethoden sind für sportliche Mütter empfehlenswert, welche sind kontraindiziert?
Die Gesundheitspolitik beklagt berechtigterweise beunruhigende Zahlen zu Bewegungsarmut und Übergewicht in Deutschland, doch dem gegenüber steht ein gegenteiliger Trend: Statistiken der Sport- und Fitnessbranche zeigen ein immer stärker ausgeprägtes Sport-, Fitness- und Gesundheitsbewusstsein. Vor allem junge Frauen entscheiden sich bewusst für regelmäßiges, teilweise exzessives Sporttreiben und begreifen dies als wichtigen Teil ihrer Lebensphilosophie. Nach einer Geburt zeigen sie großen sportlichen Ehrgeiz, möchten frühere Trainingsmethoden wieder aufnehmen und schnellstmöglich wieder fit werden. Von großer Wichtigkeit ist dabei, bestimmte Regenerationszeiten, Sicherheitsregeln und eine systematische Trainingssteuerung einzuhalten! Um Babypfunde zu verlieren oder schnell fit zu werden, greifen viele Sport-begeisterte zu Trainingsmethoden, die absolut kontraindiziert sind. Die folgende Tabelle zeigt eine sinnvolle Aufgliederung in drei Trainingsphasen.
Sportliches Training in der Rückbildungs- und Wiedereinstiegsphase
Schon während der Rückbildungsphase, spätestens in der Wiedereinstiegsphase wollen aktive Frauen wieder mit sportlichem Training beginnen, allerdings ist die körperliche Konstitution noch nicht vollständig wiederhergestellt. Je nach Veranlagung, Anzahl der Schwangerschaften und Alltagsbelastung kann die Wiederherstellung der Gesamt-Fitness 6 bis 24 Monaten dauern.
Körperliche Problemfelder, Risiken und Sicherheitsregeln
Die meisten Frauen haben in der Rückbildungs- und Wiedereinstiegsphase noch körperliche Probleme. Im Rücken- und Nacken sowie im Bereich des Beckens oder des Beckenbodens bestehen die meisten Beschwerden. Hierfür sind folgende Hauptursachen zu nennen:
Ein Sport-Programm kann diese Ursachen beheben oder sie verstärken, es gibt einige Sportarten oder Trainingsmethoden, die überfordernd wirken und den Körper schwächen anstatt ihn zu vitalisieren. Der weibliche Körper ist in der postnatalen Phase sensibel, instabil, schlecht ausbalanciert und insgesamt eher geschwächt, daher sollte der sportliche Wiedereinstig schrittweise und unter Berücksichtigung einiger Sicherheitsregeln erfolgen. Die falsche Trainings-Dosierung kann kurzfristig oder langfristig zu folgenden Schädigungen führen:
Auch die Babys können körperliche Schädigungen davon tragen, wenn ihre Physiologie nicht ausreichend berücksichtigt wird. Ein Beispiel hierfür ist Aerobic-ähnliches Herumhüpfen während das Kind in einer ungeeigneten Tragehilfe „baumelt“ oder mit lautstarker Musik beschallt wird.
Problematische Sportarten und Trainingsmethoden
Mannschafts- oder Wettkampfsport ist mit unkontrollierten, schnellen Bewegungsabfolgen und Belastungsspitzen verbunden. Bevor die junge Mutter damit beginnt, sollte sie den Körpermitte-Test* bestehen. Parallel zu diesen Sportarten sollten weiter Rückbildungsübungen in die Trainingsroutine eingebaut und die Sicherheitsregeln* berücksichtigt werden.
Der Besuch eines Fitness-Studios oder -Kurses ist grundsätzlich empfehlenswert, jedoch ist nicht jedes Workout sinnvoll. In den letzten Jahren hat sich der Trend zu kurzen, harten Workouts mit maximaler körperlicher Herausforderung durchgesetzt. Die Aussicht, in kurzer Zeit viel Trainingseffekt zu erzielen, ist für viele junge Frauen reizvoll, die Risiken (s. o.) sind jedoch groß.
Bewegungsabläufe mit Flugphase (beide Füße verlassen den Boden, zum Beispiel Laufen, Springen) bewirken High-Impact-Belastungen, diese erzeugen Aufprallbelastungen, die in etwa dem Dreifachen des Körpergewichts entsprechen. In der Rückbildungsphase ist davon noch abzuraten, weil die Körpermitte nicht stabil genug ist. In der Wiedereinstiegsphase sollten die Frauen den Körpermitte-Test bestehen, bevor sie sich wieder dem High-Impact-Training widmen.
Das Angebot an Mama-Baby-Fitnesskursen ist groß, was grundsätzlich erfreulich ist, jedoch ist Vorsicht geboten, weil viele Kursleiterinnen schlecht ausgebildet sind und es an Kenntnissen zum schonenden, positiv aufbauenden postnatalen Training mangelt. In Deutschland sind derzeit verschiedenste Mütter-Trainingskonzepte auf dem Vormarsch, die einen trainieren mit dem Baby in der Tragehilfe, die anderen tragen das Kind auf dem Arm wieder andere organisieren Outdoor-Workouts mit Buggy. Der Name des Konzepts verrät nicht die Qualität, entscheidend ist die Umsetzung durch die Kursleiterin. Um einen ungeeigneten Kurs zu entlarven, sollte man mit der Anbieterin sprechen oder eine Probestunde absolvieren. Die wichtigsten Qualitätsstandards sind:
SICHERHEITSREGELN:
Anzeichen für eine Überforderung der Körpermitte:
Extreme Müdigkeit, Lustlosigkeit und depressive Stimmungen können Anzeichen von allgemeiner körperlicher Überlastung sein.
Aerobes Low-Impact-Training = moderates Training der Herz-Kreislauf-Ausdauer
Macht eine junge Mutter regelmäßig Rückbildungsgymnastik, kann sie mit aerobem Low-Impact-Training beginnen. Aerobe Belastung bedeutet, während der Bewegung kann ausreichend Sauerstoff vom Herz-Kreislauf-System zur Verfügung gestellt werden, diese ist für den Organismus moderat und wenig belastend. Ist die Sauerstoffzufuhr aufgrund hoher Belastungsintensität unzureichend, geht die Sportlerin eine Sauerstoffschuld ein, was einer hohen körperlichen Belastung entspricht. Dies kann die Mutter wie folgt testen:
Kontrolle der Belastung:
Die junge Mutter sollte ihr Ausdauertraining so durchführen, dass Sie dabei noch eine Unterhaltung aufrechterhalten kann und die Belastung als „etwas anstrengend“ empfindet. Um zwischendurch Belastungsspitzen zu setzen, kann sie 2 bis 3 Minuten die Intensität so steigern, dass sie richtig aus der Puste kommt.
Die typischen Ausdauerbelastungen finden wir in sportlichen Betätigungen, die über einen längeren Zeitraum eine gleich bleibende Belastung bewirken. Zu bevorzugen sind stoßarme Sportarten (Low-Impact-Sportarten), die die Körpermitte wenig belasten:
KÖRPERMITTE-TEST !!! Wie fit ist die Körpermitte?
Der Körpermitte-Test hilft den Frauen herauszufinden, ob sie wieder mit intensiven Sport-Belastungen beginnen können.
Wenn die Frau alle Fragen mit „JA, RICHTIG“ beantworten kann, dann ist die Körpermitte wieder fit. Es kann wieder mit stoßbelastenden Sportarten (z.B. High-Impact-Aerobic, Joggen), Sport mit ruckartigen, intensiven Bewegungen (z.B. Mannschaftssport, Wettkampfsport) begonnen werden. Umfang und Intensität sollten von Woche zu Woche langsam gesteigert werden. Können Sie nicht alles mit „JA“ beantworten, sollten intensive Sportarten noch gemieden werden.